Naturschutzpolitik in Sachsen

Schutz der Biodiversität – auch in schwierigen Zeiten

Naturschutzpolitische Forderungen des NABU Sachsen zur Landtagswahl 2024

Den Naturhaushalt im Gleichgewicht zu halten ist eine der wichtigsten Aufgaben für Politik und Gesellschaft in unserer Zeit. Schlüssel ist der Erhalt alles Lebenden – der Biodiversität.

Mit dem Programm „Sachsens Biologische Vielfalt 2030“ hat sich die sächsische Regierung zu wesentlichen Zielen im Klima- und Naturschutz bekannt. Diese Herausforderung wird noch viele Jahre in Anspruch nehmen und bedarf einer konsequenten Umsetzung und Zusammenarbeit aller Regierungsbereiche. Vor dem Hintergrund der Doppelkrise von Biodiversität und Klima sowie der politischen Herausforderungen darf die Notwendigkeit der Förderung und Erhaltung der biologischen Vielfalt nicht hinten angestellt werden – sie bildet unsere Lebensgrundlage.

Wald, Wasser, Boden und Luft – sie scheinen auf der Erde unbegrenzt verfügbar zu sein. Und doch warnen Naturschutzverbände und Wissenschaftler, denn die planetare Belastbarkeit ist endlich! Übersteigt die Nutzung einer Ressource den grünen Bereich, verlassen wir den sicheren Handlungsrahmen und gravierende Folgen drohen.

In Anbetracht der Bedrohung durch den Klimawandel fordern wir, die besondere Bedeutung des Naturschutzes (Arten- und Lebensraumschutz und der Schutz von Ökosystemleistungen) anzuerkennen und gemäß des Vorsorgeprinzips in das „überragende öffentliche Interesse“ aufzunehmen.


1. Schutz der Artenvielfalt

Übergeordnetes Ziel der Naturschutzpolitik muss der Schutz und die Förderung der biologischen Vielfalt in Sachsen sein. Hauptursache für den Bestandsrückgang der Pflanzen- und Tierarten ist die Zerstörung ihrer Lebensräume, verantwortlich sind insbesondere die Intensivierung der Landnutzung, die Inanspruchnahme von Flächen für Siedlung, Verkehr und Energiewirtschaft sowie Nährstoffeinträge in die Luft, den Boden und in Gewässer. Über die Hälfte aller in Sachsen vorkommenden Lebensraumtypen gelten als gefährdet.

Wird fordern:
  • die Erhaltung und Wiederherstellung einer Mindeststrukturausstattung in der Kulturlandschaft.
  • die gezielte Wiedervernässung und langfristige Wiederherstellung der Wasserhaushalte von Mooren und an-deren Feuchtgebieten.
  • die Vernetzung vorhandener Schutzgebiete durch zusätzliche Korridore mit Naturschutzvorrangfunktion auf über zehn Prozent der Landesfläche im Rahmen der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen zum Biotopverbund.


2. Naturverträgliche Landnutzung

Eine naturverträgliche Landnutzung ist nicht nur notwendig für das Überleben vieler geschützter Tier- und Pflanzenarten und ihrer Lebensräume, sondern auch für den Erhalt und die Förderung wichtiger Ökosystemleistungen, die vor allem im Klimawandel unabdingbar sind. Dabei ist in der Land-, Forst-, Siedlungs- und Energiewirtschaft ein Umdenken dringend notwendig – insbesondere vor dem Hintergrund immer stärker werdender Flächenkonkurrenz.

Wir fordern:
  • Maßnahmen zur Erhöhung des flächendeckenden Wasserrückhalts und zum Schutz des Grundwassers in allen Landnutzungsformen.

Für eine nachhaltige Landwirtschaft

Bis vor einigen Jahrzehnten hat die Landwirtschaft zur Förderung der Biodiversität in der Kulturlandschaft massiv beigetragen. Die Intensivierung der landwirtschaftlichen Produktion führt jedoch zu einem massiven Verlust an artenreichem Grünland, zu einer Monotonisierung der Landschaft, zur übermäßigen Nährstoff- und Pestizidbelastung des Grund- und Oberflächenwassers, zum Verlust wertvoller Bodeneigenschaften sowie zu einem Verlust an ökologischen Rückzugsflächen wie z. B. Brachen. Dies schadet der biologischen Vielfalt und stört den Biotopverbund.

Wir fordern:
  • einen Mindestanteil von zehn Prozent ökologischer Vorrangflächen auf der landwirtschaftlichen Nutzfläche.
  • ein flächendeckendes Verbot von Neonicotinoiden, Totalherbiziden und dem Beizen von Samen mit Giften. Umweltgerechte Alternativen zum Pestizideinsatz außerhalb von Schutzgebieten sind staatlich zu fördern.
  • Schutzstreifen (z. B. Hecken oder Grünland) zwischen nicht- oder extensiv bewirtschafteten Flächen in Schutz-gebieten und intensiv bewirtschafteten Flächen zur Verringerung des Nährstoff- und Pestizideintrages und deren Randeffekten.

Für eine nachhaltige Forstwirtschaft

Die jüngsten Waldbrände und Borkenkäferkalamitäten offenbaren die Fehlnutzung unserer Wälder und Forste. Nadelholzproduktionsstätten, nicht-heimische Baumarten und eine fehlende Struktur in den Beständen führt zu anfälligen, naturfernen Landschaften, die charakteristischen, teils geschützten Arten keinen Lebensraum geben und die im Klimawandel wichtigen Ökosystemleistungen nicht erbringen können.

Wir fordern:
  • eine nachhaltige Forstwirtschaft mit einem definierten Rahmen für die wirtschaftliche Nutzung und einem an den Klima- und Naturschutzzielen ausgerichteten Waldumbau sowie die Naturverjüngung heimischer Baumarten, wo immer sie möglich ist.
  • die konsequente Förderung der Biotopvielfalt durch die Anlage und Entwicklung von Strukturelementen wie Kleingewässern, Waldwiesen und typischen Alters- und Waldrandstrukturen.
  • ein sachsenweites Totholzkonzept für die staatseigenen Wälder und Forste, das den Umgang mit stehendem Totholz und Kronentotholz auch in Bezug auf Verkehrssicherung einschließt.

Für eine nachhaltige Energiewirtschaft

Die Nutzung erneuerbarer Energien ist den fossilen Energieformen und der Atomkraft in jedem Falle vorzuziehen. Der Ausbau hat jedoch zwingend naturverträglich zu erfolgen, eine Konkurrenzsituation zwischen Energiewirtschaft, Naturschutz und anderen Landnutzungsformen ist unbedingt zu vermeiden. Die derzeitige Photovoltaikfreiflächenverordnung des Freistaates Sachsen bietet hierzu jedoch wenige Möglichkeiten.

Wir fordern:
  • keine Errichtung von Windkraft- oder Photovoltaikanlagen in Wäldern.
  • eine verpflichtende Prüfung bereits versiegelter Flächen zur vorrangigen Nutzung.
  • eine Photovoltaikstandard bei Neubau von Gebäuden (Gewerbe und Wohnraum) – alternativ eine ver-pflichtende Gründachnutzung in stark versiegelten Gebieten.
  • verbindliche naturschutzfachliche Vorgaben für die Errichtung von Photovoltaikanlagen in Natur- und Kultur-landschaften.


3. Gesunde Flüsse und natürliche Auen

Die Bemühungen zur Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie und die Auflage eines sächsischen Auenprogramms 2019 haben nicht ausgereicht: 2021 haben nicht mal 7 % der sächsischen Fließgewässer einen guten ökologischen Zustand erreicht. Das ist zu wenig.

Wir fordern:
  • die konsequente Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Das „überragende öffentliche Interesse“ der Wiederherstellung naturnaher Gewässer muss anerkannt werden, um deutlich schnellere Planungen und Umset-zungen ermöglichen.

Für die Stärkung des Gewässerrandstreifens

Der Gewässerrandstreifen ist ein Puffer zwischen bewirtschafteter Fläche und Gewässer und ein wichtiges Element im Biotopverbund. Sein Schutz ist daher elementar für die Erreichung der Ziele im Natur- und Gewässerschutz.

Wir fordern:
  • für Gewässerrandstreifen eine Breite von insgesamt 20 Metern. Eine Breite von zehn Metern ist für die Puffe-rung von Schadstoffen unabdingbar, hier muss nicht nur die Anwendung von Pestiziden und Düngemitteln unter-sagt sein, sondern auch die Bodenbearbeitung. Weitere zehn Meter sind als chemisch unbelasteter Lebensraum und Wanderkorridor nötig, also wie bisher ohne den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln.
  • die vorhandenen Möglichkeiten des Vorkaufsrechts für gewässerbegleitende Flächen zu nutzen.

Für die Durchgängigkeit für Fließgewässer

Fließgewässer sind im System zu denken und bedürfen der uneingeschränkten ökologischen Durchgängigkeit. Gewässeranlagen und -nutzungen sind bereits jetzt gemäß §7 des sächsischen Wassergesetzes den gesetzlichen Anforderungen anzupassen. Beim Schutz unserer Fließgewässer müssen die Vorgaben aus dem Naturschutz absolute Priorität haben.

Wir fordern:
  • die konsequente Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben.
  • den Rückbau nicht mehr aktiver und illegaler wasserwirtschaftlicher Anlagen.


4. Stopp der ungebremsten Flächenversiegelung

Dass die Versiegelung von Flächen nicht nur die Biodiversität negativ beeinflusst und den Biotopverbund schwächt, sondern auch die Gefahr von Überschwemmungen infolge von Starkregenereignissen und natürlichen Hochwassern erhöht, ist hinlänglich bekannt. Somit ist die Entsiegelung und das Verhindern weiterer Versiegelung ein aktiver Beitrag zum dringend notwendigen Klimaschutz. Das selbstgesteckte „Flächensparziel“ von weniger als 2 ha/Tag liegt jedoch in weiter Ferne.

Wir fordern:
  • das aktive Vorantreiben von Flächenentsiegelung.
  • eine kritische und verantwortungsvolle Prüfung von Bauplanungen, die eine Neubeanspruchung von Flächen beinhalten sowie die Einbeziehung naturschutzfachlicher Kriterien bei der Flächenwahl.
  • den Ausschluss ökologisch wertvoller Landschaften, Feuchtgebiete und landwirtschaftlicher Flächen im Sinne des Klimaschutzes.
  • die konkrete Prüfung der Folgen weiterer Versiegelung für den Biotopverbund und für die Erbringung von Öko-systemleistungen bzw. die Prüfung ihrer Alternativen durch die Nutzung vorhandener Ressourcen.


5. Starke Strukturen für den ehrenamtlichen Naturschutz

Durch den Ausbau der erneuerbaren Energien, die Planungsvereinfachungen und die Folgen der Klima- und Naturkrise wachsen die Aufgaben gemeinnütziger Naturschutzorganisationen immens. Eine Beteiligung an den Entwicklungen, konstruktive Kritik und ökologische Begleitung sind jedoch wichtig. Die im sächsischen Naturschutzgesetz verankerte Unterstützung der anerkannten Naturschutzverbände und die Einführung der Unterstützungsgelder für die Naturschutzstationen sind ein wichtiger Schritt, bei dem es aber nicht bleiben darf. Denn um die mannigfachen Aufgaben im Naturschutz, die weit über das Ehrenamt hinausgehen, bestreiten zu können, bedarf es eines engagierten und qualifizierten Hauptamtes.

Wir fordern:
  • die Unterstützung der anerkannten Naturschutzverbände mit zusätzlich mindestens 60.000 € pro Verband und Jahr zur Förderung und Verstetigung ehrenamtlicher Strukturen. Nur eine ausreichende finanzielle Unterstützung kann helfen, die stetig steigenden Herausforderungen im Naturschutz bewältigen.
  • eine Verstetigung der Basisunterstützung der Naturschutzstationen. Nur so ist es möglich, ein engagiertes und qualifiziertes Hauptamt langfristig zu binden.
  • eine ausreichende finanzielle Unterstützung für jede Naturschutzstation, die die Kosten für wenigstens zwei Vollzeitstellen deckt.



NABU (Naturschutzbund Deutschland)
Landesverband Sachsen e. V.
Löbauer Straße 68
04347 Leipzig

Fon: 0341-337415-0
E-Mail: landesverband@NABU-Sachsen.de
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